Fates Warning, Omen & Scanner

Donnerstag, 19. Juni 1997, Köln (Kantine)

Es war mal wieder soweit: FATES WARNING, die Götter meiner späten Jugend, hatten sich für eine Tour bei uns angekündigt. Ich hatte sie bereits vor zwei Jahren einmal gesehen, im Vorprogramm von DREAM THEATER. Damals fand ich sie klasse, auch wenn sie keine Songs von ihren ersten vier Alben spielten. Dies würde, wenn man Ray Alder's Worten beim Interview glauben darf, auch heute nicht passieren.

Scanner Doch zunächst mal gab es zwei Vorbands zu bestaunen, die schon alleine den Besuch des Konzerts gerechtfertigt hätten. SCANNER begannen den Reigen auf der relativ kleinen Bühne, aber die Jungs sind es ja durchaus gewohnt, mit wenig Platz zurechtzukommen, wie man von den Auftritten im Jugendzentrum Andernach und im Between in Köln weiß. Scanner Daß die Aussage "Wir haben wenig Platz" von Frontmann und Sänger Harridon Lee von einem Fan in der dritten Reihe allerdings mit "Wir dafür umso mehr" beantwortet wurde, zeigt, daß SCANNER nach wie vor zu den deutlich unterbewertetsten Bands gehören. So waren zu Beginn des Auftritts gegen 21 Uhr nur etwa 100 Leute in der vielleicht 1000 Leute fassenden Kantine anwesend, bis zum FATES WARNING-Set sollten es etwa 400 werden. So konnte man zunächst problemlos in der ersten Reihe stehen, und SCANNER machten das Beste aus der Sache. Die Band hatte durchaus ihren Spaß, und die vorderen Reihen bei Songs wie "Across The Universe" vom Erstling oder "Puppet On A String" vom letzten Album genauso. Die Spielzeit war mit vierzig Minuten eigentlich ganz okay; da die Kantine irgendwo in der Wildnis liegt, kann man da bis weit nach Mitternacht Radau machen, so daß die späte Anfangszeit durchaus keine Probleme bereitet. Dumm ist das nur für diejenigen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, wozu ich heute glücklicherweise nicht gehörte.

In der ersten Umbaupause machte sich dann der eigentliche Nachteil der Kantine bemerkbar: Bierpreise von 4,- DM für 0,25 Liter oder 5,- DM für 0,33 Liter sind eine ziemliche Unverschämtheit und können den weniger gut verdienenden Besuchern durchaus einen Konzertabend versauen. Umgekehrt spricht die Tatsache, daß man - auch ohne Fotopaß - problemlos einen Fotoapparat mit reinnehmen konnte, für die Fannähe. Dies könnte allerdings bei härteren Konzerten anders sein, da man dann vielleicht wieder mit einer holzköpfigen Security fertigwerden muß, was heute nicht der Fall war.

Omen Die zweite Band des Abends, OMEN, gehört auch schon zu denen, die länger im Geschäft sind. Ihr Erstling "Battle Cry" hat immerhin schon 13 Jahre auf dem Buckel. Zwar konnte ihr Comeback-Album "Reopening The Gates" nicht ganz überzeugen, dennoch war ich sehr gespannt auf diese Band. Zwar ist von der Originalbesetzung nur noch Gitarrist Kenny Powell mit von der Partie, aber die Tatsache, daß dessen Sohn Greg nun auch bei derselben Band aktiv ist wie der Vater, gab dem Ganzen dann wieder eine besondere Note. Omen Der Set wurde eröffnet mit "Termination" vom zweiten Album "Warning Of Danger", und als man direkt "Battle Cry" nachlegte, hatte man bereits die alten Fans in seinen Bann gezogen. Zu denen zähle ich mich selber genauso wie die drei Gestalten vorne links, die - mal abgesehen von den kurzen Haaren - die wahren True Metaller darstellten. Stellt Euch vor: Drei Bilderbuch-Heavies aus der Mitte der Achtziger haben mittlerweile einen brauchbaren Job gefunden, geheiratet und sich die Haare abgeschnitten. Nur der Schnäuzer ist drangeblieben. Man verbringt seine Zeit nur noch selten in Heavy-Kneipen, dafür umso mehr vor dem Fernseher, auf dem Fußballplatz oder bei Kaffee und Kuchen auf dem Balkon der Reihenhaussiedlung. Im Urlaub hängt man nicht mehr auf irgendwelchen Festivals rum oder trampt mal eben ein Vierteljahr lang durch Zentralasien, sondern fliegt mit der Tui zum Familientarif für zwei Wochen nach Lloret de Mar oder Mallorca. Aber zum OMEN-Konzert wird die alte Kutte (die mit den ACCEPT-, MAIDEN- und MSG-Aufnähern) wieder vom Speicher geholt, man stellt sich in die erste Reihe und bangt, als hätte es die letzten zehn Jahre nicht gegeben, Tja, wie leicht man doch manchen Leuten um die 30 eine Freude machen kann. Omen Daß es die erwähnten zehn Jahre aber doch gegeben hat, wurde mir schmerzlich bewußt, als OMEN den ersten neuen Song brachten. Zwar kommt das Material live deutlich besser als auf CD, kann es aber trotzdem nicht mit den alten Klassikern aufnehmen. Insgesamt war daher meiner Meinung nach die neue CD etwas zu überbetont, aber als Vorband kann man nun mal nicht jeden guten Song spielen, und so mußte ich mich im weiteren Verlauf dann auch noch mit einem Medley aus mehreren alten Stücken (u.a. "Make Me Your King" und "Dragon's Breath") zufriedengeben. Insgesamt zweifellos ein überzeugender Auftritt, aber was die Zukunft dieser Band anbelangt, bin ich doch etwas skeptisch.

Fates Warning Die zweite Umbaupause des Abends dauerte dann etwas länger, mußte doch ein Schlagzeug von der Bühne geräumt werden. Und nun zeigte sich, daß auch Freunde des progressiven Metals durchaus fanatisch sein können: Die meisten Anwesenden jedenfalls schienen den Auftritt ihrer Götter kaum erwarten zu können. Positiv ist allerdings zu vermelden, daß die meisten der vorne stehenden mich anstandslos meine Fotos machen ließen, auch wenn sie dafür anschließend vielleicht zehn Zentimeter weiter hinten standen. Das war bei so manchem Blödmann beim LACRIMOSA-Konzert nämlich nicht der Fall.
Fates Warning Als dann Ray Alder die Bühne betrat und die erste Textzeile des aktuellen Albums "A Pleasant Shade Of Gray" vortrug, war es bereits um die meisten der Anwesenden geschehen. Alleine dafür gab es dann auch den ersten Applaus. Als in den folgenden 55 Minuten dann erstmal dieses eine Stück gespielt wurde, erinnerten mich die Publikumsreaktionen ein wenig an den Auftritt von RAGE + Orchester: Nach bald jedem Part der einzelnen Musiker gab es Szenenapplaus, was auch den Sänger sowie die beiden Gastmusiker am Bass und am Keyboard einschloß. Da ich ja eher ein Fan der alten FATES WARNING-Stücke bin, hat mich diese Darbietung nicht hundertprozentig glücklich gemacht, aber allein die Begeisterung des Publikums war erlebenswert. Endlich mal Leute, die die technischen Fähigkeiten der Band zu schätzen wissen. Fates Warning Daß das natürlich auch (meiner Meinung nach) negative Auswirkungen hat, erlebte ich an einer Freundin von mir, die meinte "Das war absolut perfekt. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, daß sich einer der Musiker verspielt, aber nichts dergleichen ist passiert." Also ich weiß nicht, aber ich für meinen Teil gehe auf ein Konzert, um die Musik zu genießen und nicht, um Fehler der Musiker zu erleben. Darüberhinaus war es schon erstaunlich, wie viele Leute dieses Album trotz seiner Komplexität offensichtlich in- und auswendig kennen: Etliche Textzeilen wurden vom Publikum mitgesungen.

Fates Warning Nachdem dieses Stück und damit die gesamte neue Platte fertig gespielt war, waren die meisten Fans vermutlich schon zufrieden. Für mich folgte dann allerdings die erste Ernüchterung: Die Musiker gingen von der Bühne. Und das nach nicht mal einer Stunde. Nichtsdestotrotz habe auch ich eifrig Zugabe gerufen. Und Zugaben gab's dann auch: "Life In Still Water" und "We Only Say Goodbye" vom "Parallels"-Album. Danach gingen die Musiker nochmal von der Bühne, um in einem zweiten Zugabenteil noch "The Eleventh Hour" und "Monument" zum besten zu geben, wobei die Keyboards den Gitarrenpart von Frank Aresti nicht ersetzen konnten. Aber das war den meisten vermutlich egal, als sich die Band danach endgültig verabschiedete.

Es war zweifellos ein sehr gutes Konzert mit einer fantastischen Stimmung im Publikum, aber hundertprozentig glücklich bin ich anschließend nicht nach Hause gefahren. Eineinhalb Stunden sind ein bißchen wenig für eine Band, die mittlerweile acht Alben draußen hat. Und selbst, wenn man die Uralt-Songs aus der Zeit des ersten Sängers nicht spielen will, hätte man sich nicht auf Material der letzten drei Alben beschränken brauchen. Man hätte zum Beispiel noch "Anarchy Divine" oder "Nothing Left To Say" spielen können; von "Kyrie Eleison" oder ähnlichem rede ich hier ja gar nicht.

Restless

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