Darkseed

Keine Probleme mit Frauen

(Interview mit Stefan Hertrich, März 1997)

Daß man auch in Bayern guten Metal mit Gothic-Touch auf die Reihe bekommt, beweisen DARKSEED mit ihrem aktuellen Album "Spellcraft". Dennoch legt Sänger Stefan, der sich selber als "ziemlicher Labersack" bezeichnet - was sich dann auch im Umfang dieses Interviews niederschlägt - Wert auf die Feststellung, daß man zwar mitunter als Bauernband promotet werden sollte, aber dennoch mit Bayern eigentlich nix am Hut hat.

Genaugenommen kommt die Band aus Olching, etwa zehn Kilometer westlich von München. Und daß die Jungs nicht mitten aus der Großstadt kommen, sieht Stefan eher von der positiven Seite ...

Naja, ländliche Gegend ist für uns deshalb ziemlich cool, weil wir uns alle saugut kennen und alles gute Kumpels sind, und das macht die Bandatmosphäre aus. Und als Fundament für den Schritt ins Musikbusiness brauchst du einfach Leute, mit denen du dich verstehst.

Eure Gründungsbesetzung ist das aber nicht mehr, oder?

Nee du, früher war's schon recht stressig, mit Besetzungswechseln und so. Wir hatten immer wieder Probleme, seien es nun Leute mit zuwenig Engagement oder Leute mit Drogenproblemen oder was auch immer. Der aktuellste Rauswurf, und eigentlich auch der gravierendste, das war unser Drummer, den ich seit 20 Jahren kenne. Jetzt bin ich das letzte Gründungsmitglied, aber ich denke mal, daß wir mit unserem neuen Drummer Willi Wurm guten Ersatz gefunden haben. Der ist halt Kult, und das ist'n super Drummer, und wir sind sehr zufrieden, so wie's jetzt ist. Er kam gerade zwei Wochen vor der neuen Platte dazu und das hat halt für'n bißchen Streß gesorgt, weil er konnte natürlich nix von unseren Sachen. Aber wir kannten uns privat schon ganz gut und er kannte die CDs, hatte also keine Probleme, die Songs reinzukriegen. Also das Line-Up ist im Moment wirklich optimal, so daß keiner mehr Befürchtungen wegen irgendwelcher Line-Up-Wechsel haben muß.

Und ihr kommt alle aus diesem Kaff namens Olching?

Kaff ist gut. Wir haben immerhin 30.000 Einwohner. Nee, ich bin der einzige ortsansässige Olchinger. Einer kommt aus München, und die anderen sind eher verteilt, aber alle so vom richtigen knallharten Land. Der eine wohnt in 'nem Kaff mit fünf Einwohnern, oder nee, fünf Häuser sind's, aber das ist ganz okay so. Ich denke, die Persönlichkeit der Leute vom Land ist prinzipiell besser als die von Stadtmenschen. Einfach, weil du als Landbewohner offener und direkter bist. Deswegen haben wir auch keinen Streß in der Band. Wir sagen uns alles ins Gesicht, was ansteht.

Hast du denn mit Münchnern oder anderen Städtern schlechte Erfahrungen gemacht.

Ja natürlich. Weißt du, wir haben das letzte Mal vor dreieinhalb Jahren in München gespielt, mit ANATHEMA, und es ist so scheiße und unpersönlich. Du hast als Münchner Band eigentlich keine Chance, in München Erfolg zu ernten. Die Leute schauen bei Konzerten nur, ob du dich verspielst. Du, ich hab' keinen Bock auf München, ehrlich gesagt.

Habt ihr denn bei euch 'ne Szene, wo man auch Aufbauarbeit leisten kann?

Tja, die Szene ist leider in Augsburg, etwa 30 Kilometer von hier. Da hängen wir eigentlich sehr oft rum, in München dagegen kaum. Klar, bei Konzerten, aber sonst? In der Rockfabrik in Augsburg, da gibt's schon viele Leute, mit denen wir saugut klarkommen, und die uns von vorn bis hinten unterstützen, z.B. der Faxe, unser Internetmensch.

Mit selbigem unterhalte ich mich dann auch kurz über die Internet-Homepage der Band, und der Kerl ist dabei eigentlich nur am lachen. Darauf meine nächste Frage an Stefan:
Ihr scheint ja ein ziemlich lustiger Haufen zu sein?

Du, bei uns ist rund um die Uhr Fun angesagt. Der Faxe wohnt ziemlich weit weg und kommt trotzdem immer hier vorbei. Überhaupt entwickelt sich Olching zum Szenetreff. Der Robert Müller vom Metal Hammer wohnt auch hier, wir sind halt hier, und noch irgendwas ... ah, ich komm' jetzt nicht drauf ... (denkt nach) ... na, ist ja auch egal. Auf alle Fälle kommen hier recht viele Leute her, die unsere Musik hören.

Wie war denn so euer Werdegang vom Anfang bis heute?

Ja, so das Übliche. Du machst halt deine paar Demos, in unserem Fall zwei. Dann kam so'n kleiner Deal mit Invasion Records, bei denen unsere Mini-CD rauskam.

Das war 1994 und das Teil hieß "Romantic Tales". Diese Mini-CD wird Stefan auf seinem eigenen Label Burning Spirit-Records nochmal selber veröffentlichen. Ferner will er auf Burning Spirit, was gleichzeitig der Name des DARKSEED-Fanclubs ist, auch noch einige Sachen aus dem Black Metal-Bereich rausbringen. Aber erstmal weiter im Text:

Danach haben wir dann bei Serenades Records unterschrieben, auch noch ein kleines Label, aber schon ein Schritt vorwärts. Die hatten auch Ahnung und haben uns z.B. Gigs mit MOONSPELL oder SAMAEL ermöglicht. Auf diesem Label kam die "Midnight Solemnly Dance" raus, die nur vom Sound her nicht so überzeugen kann, aber ich denke, die Songs sind okay. Tja, und schließlich haben Nuclear Blast angeklopft, auch Century Media und Gun, aber wir haben uns für Nuclear Blast entschieden, weil wir waren dann da, die sind ja nur eineinhalb Stunden weg von uns, und das hat super hingehauen. Tja, und damit sind wir auch schon bei "Spellcraft". Im Großen und Ganzen ging's also Schritt für Schritt vorwärts und nicht so schnell, und das war auch gut so, so daß wir nicht mit einem plötzlich dagewesenen Bekanntheitsgrad überlastet worden wären.

Obwohl: Nur zwei Jahre von der Gründung im Oktober 92 bis zur Mini-CD ist schon recht schnell. Wart ihr denn alle vorher schon musikalisch aktiv, so daß ihr auf euren Instrumenten schon was drauf hattet?

Null, ohne Ende, also gar nix. Wir kamen wirklich so als Kumpelband zusammen.

So nach dem Motto: Laß' uns mal 'ne Band machen, wer spielt Gitarre, wer spielt Bass?

Richtig. Und ich denke, gerade das macht die ganze Angelegenheit so locker. Daß wir eben nie unter Erfolgsdruck standen und alles ganz locker von der Bühne ging. Es war wirklich Musik voll aus'm Bauch heraus, daß wir also die Sachen gemacht haben, auf die wir Lust hatten, und im Endeffekt sind wir halt schon sehr stolz, jetzt bei Nuclear Blast gelandet zu sein. So in den Anfangstagen war die Musik noch'n bißchen anders. Das war halt normaler Death Metal, mit so'n paar Anleihen von Melodie-Sachen. Man läuft halt zunächst mal so'n bißchen mit dem Trend mit, und wir hatten uns damals ein bißchen in Richtung Gothic orientiert.

Was waren denn da so eure Haupteinflüsse?

Eigentlich keine, muß ich sagen. Also ich habe mich nie so an Death Metal-Bands orientiert. Auch wenn jetzt Leute sagen, wir klingen ein bißchen wie PARADISE LOST, aber privat höre ich das eigentlich gar nicht. Ich höre gerne HEROES DEL SILENCIO, AXEL RUDI PELL, mehr so Heavy Rock. Klar, auch Bands wie DISMEMBER oder Black Metal, also alles so breitgefächert.

Bist du denn so der Hauptsongwriter bei euch?

Also, ich mache eigentlich alles bei uns. Was Werbung betrifft, die Texte, und die Songs. Aber in Zukunft wird sich das wohl relativieren, weil wir eben alle Kumpels sind und viel zusammenarbeiten. Früher war's trotz der Lockerheit der ganzen Sache schon ein bißchen Business: Ich habe halt die Songs gemacht und den anderen reingetrichtert, aber das soll sich jetzt schon ein bißchen ändern.

Hast du denn damals gesagt "So, ich bin der beste Songschreiber, und ich mache das jetzt", oder wie?

Naja, nicht ganz. Ich hab' halt zusammen mit dem Drummer die Band gegründet, und da du als Drummer schlecht Songs machen kannst, hab ich's halt immer gemacht. Und durch die stetigen Line-Up-Wechsel bin ich irgendwie der Kopf von DARKSEED geworden. Ich war früher allerdings auch sehr intolerant gegenüber anderen Leuten. Teilweise kamen schon Ideen von den anderen, aber die haben halt wirklich nicht getaugt. Aber ich denke, es war auch gut so, weil dadurch unser Sound über die letzten Jahre genau so und nicht anders gewesen ist.

Für die Texte bist du ja auch zuständig. Worum geht's inhaltlich auf der neuen Platte.

Schwer zu sagen, weil ich Probleme habe, die Sachen direkt auszudrücken. Auf einen Nenner gebracht: Vielleicht kennst du "Faust" von Goethe ...

Naja, ich hab' ihn nie gelesen.

Tja, da sitzt halt der Zauberer in seinem Turm rum und versucht immer, das ultimative Wissen zu erlangen, über die Welt, die Menschen, das Universum. Er hat auch Erfolg damit, aber irgendwann isser an einem Punkt, kurz vor seinem Lebensende, wo er dann merkt: "Scheiße. Ich weiß zwar alles über die Welt, aber worüber ich nichts weiß, ist über Beziehungen, Freundschaft und sowas." Und daran geht er dann halt zugrunde. Die Geschichte beruht auf einem Schulfreund von mir, der genauso drauf war und immer nur gelernt hat. Im Endeffekt hat er Selbstmord begangen, weil er gemerkt hat, daß er keine Freunde hat und total vereinsamt ist. Das hat mir den Kick gegeben, darüber was zu schreiben. Und da kam "Faust" halt auch gelegen, und so kam es zu dieser Verbindung Mittelalter-Realität. Also ich denke mal, es ist ganz schön breit gefächert.

Erzählt denn das ganze Album eine zusammenhängende Geschichte, oder sind die Songs eher unabhängig voneinander?

Eher letzteres. So gibt es zum Beispiel auch Songs, wo das Thema Zauberei gar nicht vorkommt, sondern wo's nur darum geht: Ich möchte 'ne Frau haben, aber kriege sie nicht. In einem Song beispielsweise, da ist dieser Zauberer total überheblich und sagt "Jaha, die Frau krieg' ich sowieso, und wenn's halt mit Zauberkraft ist", aber er schafft's dann auch nicht. Also Hoffnung und Verzweiflung wechseln sich so ab.

Das ist jetzt aber nur das Thema dieser CD. Auf der letzten ging's um was anderes, oder?

Da ging's eigentlich nur um das Thema Frau, also konkret: Mann will Frau, aber kriegt sie nicht.

Ist das autobiographisch?

Nee, eher das Gegenteil (lacht). Ich denke, ich habe da noch nie so richtig Probleme gehabt. Aber mich interessiert das Thema. Du kennst das ja sicherlich auch: Du schwärmst für irgendeine Frau und es klappt nicht.

Äh ... hm ... ja, manchmal. Aber laß uns jetzt mal lieber über die Musik reden. Ich finde, allzu viele Unterschiede gibt es nicht zwischen "Midnight Solemnly Dance" und "Spellcraft".

Das liegt daran, daß die Songs in 'nem sehr kurzen Abstand entstanden sind. Durch die Line-Up-Wechsel haben wir nie soviel Zeit gehabt, Songs zu schreiben. Das waren immer maximal zwei Monate. Und wir hatten auch nicht die Zeit, unseren Horizont beträchtlich zu erweitern bezüglich anderer Musikrichtungen, wenn du so willst. Deswegen klingen die Alben sehr ähnlich. Aber du kannst sicher sein: Das nächste wird ganz anders klingen.

Wie denn?

Ich würde sagen ... hm ... irgendwie natürlich DARKSEED, aber vielleicht gemischt mit mehr so Rock-Sachen. Schöne Soli und teilweise auch düster mit vielen Keyboards, Elektronik-Sounds und Computer-Sachen. Ich denke: DARKSEED, aber modernisiert einfach.

Wobei du sicher Wert auf die Feststellung legst, daß modernisiert nicht trendy heißt ...

Nee, das hat nichts mit trendy zu tun. Das ist einfach meine persönliche Einstellung, daß ich mich weiterentwickeln will. Wenn ich zweimal ein Album wie "Spellcraft" machen würde, dann hätte ich mein Ziel als Musiker einfach verfehlt. Kreativ sein heißt auch sich weiterentwickeln, neue Einflüsse verarbeiten. Und meine Einflüsse sind mittlerweile auch viele Computer-Sachen. Jetzt nicht Techno, sondern schöne Sounds, die auch Atmosphäre bringen ohne Ende. Das Grundprinzip von DARKSEED ist nun mal Atmosphäre und Melancholie, auch wenn's viel Metal ist.

Zum Thema Weiterentwicklung: Es gibt ja viele Bands, die sich so gut wie gar nicht weiterentwickeln, etwa AC/DC, RUNNING WILD oder MANOWAR, aber trotzdem 'ne Menge Erfolg damit haben. Was denkst du denn darüber?

Das beruht wohl ganz einfach darauf, daß diese Bands mit dieser Musik so wahnsinnig erfolgreich sind und daher keine Weiterentwicklung nötig haben. Die müssen nicht irgendwelche Leute aufrütteln. Aber das mußt du als junge Band schon, bei dem heutigen Spektrum von Bands. Und das geht eben nur, wenn du ein interessantes Album machst. Und für mich gehört dazu, daß der Fan merkt: "Oh, jetzt ham se sich verändert, das muß ich mir anhören." Wenn eine Band 'ne Menge Alben verkauft, dann kann sie auch stagnieren. Obwohl ich das nicht cool finde, ehrlich gesagt.

Das ist im Endeffekt aber wohl auch Geschmackssache. Laß uns nochmal auf euer Line-Up zu sprechen kommen: De facto sind auf "Spellcraft" ja mehr als fünf Leute zu hören, und 'ne Sängerin habt ihr auch noch ...

Ja richtig. Ich glaube, die hat auch mal bei GAMMARAY kurz mitgesungen und bei RANDALICA und so Zeug, hihi. Ja, das ist halt mehr 'ne Rocksängerin, aber das war auch beabsichtigt. Wir wollten nicht so 'ne typisch düstere, schwache Frauenstimme da haben, die dann nur so dahinleidet. Wir wollten eine selbstbewußt klingende Frau haben, weil, wie gesagt, es handelt ja auch immer von selbstbewußten Frauen. Tja, und dann ist auch noch das Barnbeker Sinfonieorchester mit dabei, von dem auch schon THERION und LACRIMOSA Gebrauch gemacht haben. Dann hatten wir noch eine Geigerin aus unserer Gegend, die das alles ein bißchen geleitet hat. Gut, das Orchester kommt auf der CD nicht so gut zur Geltung, aber wir haben noch ein paar andere Tracks aufgenommen, wo das dann eher der Fall ist. Das werden wir dann auf eine Mini-CD packen. Das eine ist 'ne Ballade mit vielen Orchester- und Klavier-Sachen, da kannste echt gespannt sein.

Und wie kamt ihr auf die Idee mit Orchester und so? Ich meine, das kostet ja auch Geld, und ist zumindest bei euch nun nicht gerade musikbestimmend ...

Ich weiß auch nicht. Ursprünglich hatten wir eh geplant, 'ne sehr rockige Platte zu machen, aber irgendwie haben wir uns dann doch gedacht, nicht auf diese Gothic-Sachen verzichten zu können, und dann haben wir's halt mit eingebaut. Insgesamt ist es also schon so'n dynamischer DARKSEED-Faden, der dann umgarnt wird von so'n paar orchestralen Sachen.

Wie kamt ihr denn mit dem Orchester in Kontakt?

Das ergab sich, weil wir im Impuls-Studio in Hamburg aufgenommen haben. Und in Barnbek, dem Stadtteil, in dem das Studio liegt, haben die halt so'n Orchester, zu dem die Leute vom Studio irgendwie 'n Draht haben. THERION und LACRIMOSA waren in dem gleichen Studio und haben das Orchester verwendet, und jetzt haben wir's halt auch gemacht.

Ihr wart ja mit LACRIMOSA auch auf Tour im April dieses Jahres. Wie kam es dazu?

Das haben wir hauptsächlich dem Drummer von LACRIMOSA zu verdanken, dem A.C., der ja auch der Ex-Drummer von RUNNING WILD ist. Der war ziemlich angetan von unserem Sound. All Access, das LACRIMOSA-Management, hängt zufällig an dem Studio dran, und da hat der A.C. mal bei uns reingehört, fand's saugeil, und so kam das, daß sie uns mit auf Tour genommen haben. Ein bißchen Koordination mit unserem Manager und Nuclear Blast war zwar auch noch nötig, aber in erster Linie haben wir's halt dem Drummer von LACRIMOSA zu verdanken.

Darüberhinaus habt ihr auch ein Video aufgenommen, zum Song "Fall Whatever Falls"...

Das sind zum Teil Live-Aufnahmen, von einem Gig in Essen. Das ist so ein echt schöner Clip, weil die Leute abgegangen sind ohne Ende, und das kam sehr gelegen für's Video. Dann haben wir noch'n paar Szenen von draußen eingebaut, wo wir so im Wald, Nebel, Sumpf rumgelaufen sind und so. Ist echt 'n ordentlicher Clip geworden, dafür, daß das Budget nicht so hoch war. Das Teil hat übrigens Yasmin von ATROCITY gedreht, die auf dieser "Calling The Rain"-Scheibe gesungen hat.

Naja, so bleibt ja mal wieder alles irgendwie in der Familie.

Restless

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