World Of Silence

Musiker, keine Poeten

(Interview mit Thomas Heder, Dezember 1996)

Aus einem kleinen Kaff am Nordufer eines großen Sees inmitten von Schweden stammen fünf Jungs, die unter WORLD OF SILENCE firmieren und um die es mit der Stille bald vorbei sein dürfte. Zumindest, wenn die Prog-Rock-Gemeinde dieses Planeten den "Window Of Heaven" betitelten Erstling der Combo in die Finger bekommt.

Was ist das für eine Band, die scheinbar mühelos Songs aus dem Ärmel schüttelt, bei denen jeder DREAM THEATER-Fan vor Freude im Dreieck hüpft und etliche Nachwuchsmusiker vermutlich entnervt ihr Instrument aus dem Fenster schmeißen? Ich sprach mit Thomas Heder, seines Zeichens Keyboarder der Schweden.

Zusammengekommen sind wir 1993. Wir haben zunächst Coversongs in irgendwelchen Kneipen oder auf Veranstaltungen gespielt. Halt diese typischen Rock'n'Roll-Coversongs, die die Leute hören wollen wenn sie einen getrunken haben. Das haben wir zwei Jahre lang gemacht, und dann haben wir uns erstmal eine Ruhepause gegönnt. Als wir danach wieder zusammenkamen, beschlossen wir, nicht wieder damit anzufangen, sondern etwas Neues auszuprobieren. Das war so die Zeit, als DREAM THEATER gerade groß rauskamen, und wir fragten uns, ob wir nicht auch so Musik machen könnten. Tja, offensichtlich haben wir das auch ganz gut hingekriegt.

WORLD OF SILENCE Da sich an eurem Line-Up seit den Anfangstagen nichts geändert hat, wundert es allerdings schon, daß alle Bandmitglieder offensichtlich mit dieser Idee einverstanden waren ...

Wir sind natürlich schon verschiedene Charaktere. Und zusammengenommen sind diese verschiedenen Personen natürlich genau der Grund dafür, daß unsere Musik so und nicht anders klingt. Aber wir hören schon recht unterschiedliche Musikrichtungen: Bruno, unser Schlagzeuger, hört viel klassische Musik und so 'n Zeug. Ich bin dagegen großer MARILLION-Fan, kann mich aber auch für Symphonic Metal begeistern, also Musik, wie wir sie spielen.

Genauso klingt die Scheibe auch: wie eine Mischung aus den oben erwähnten DREAM THEATER und MARILLION oder auch RUSH. Und auch wenn es relativ melodisch ist, paßt es doch irgendwie nicht zum Bandnamen, der auf deutsch Welt der Stille heißt.

Das ist eine ziemlich witzige Geschichte. Irgendjemand kam mit dem Namen WORD OF MOUTH an, aber leider gab es schon eine Jazz Band aus den Siebzigern mit diesem Namen. Nun nahmen wir irgendwann an einem Nachwuchswettbewerb teil, und danach stand in irgendeiner Lokalzeitung WORD OF SILENCE statt WORD OF MOUTH. Ich habe keine Ahnung, wo sie das her hatten, aber wir fanden, daß es nicht schlecht klingt. Wir haben nur noch WORD durch WORLD ersetzt, und damit hatten wir unseren Bandnamen.

Welchen Namen würdet ihr eurer Musik geben? Heavy Metal im engeren Sinne ist es ja eigentlich nicht.

Wir nennen es Symphonic Progressive Metal. Ich habe auch schon mal die Bezeichnung New Progressive Metal dafür gehört. Ich gebe zu: es ist nicht ganz einfach einzuordnen.

Nun seid ihr ja bei Black Mark Records unter Vertrag. Normalerweise findet man da eher härteren Krempel, wie normalen Heavy Metal oder so Sachen wie BATHORY. Wie paßt ihr denn da hinein?

Ganz so schlimm ist es nicht; sie haben schon einige ruhigere Bands unter Vertrag. Du kennst vielleicht Dan Swanö von EDGE OF SANITY, um ein Beispiel zu nennen. Er hat einige Side-Projekte, die eher soft sind, aber trotzdem bei Black Mark. Vielleicht mögen sie einfach unsere Musik. Wir haben ihnen ein Demo geschickt, unser erstes und einziges, und sie haben uns genommen. Wir hatten uns vorher schon mal darüber unterhalten, Demos rauszuschicken, aber irgendwie sind wir eine ziemlich faule Band, und so ist nichts passiert. Irgendwann hat sich unser Gitarrist Mikael entschlossen, etwas zu unternehmen, und hat dieses eine Demo zu Black Mark geschickt. Und sie mochten es und nahmen uns.

Was für Leute wollt ihr denn mit dieser Musik erreichen? Es ist ja nun definitiv keine Musik, die als kommerziell zu bezeichnen ist, und die von daher vielleicht nur für einen recht kleinen Hörerkreis interessant sein könnte.

Ich denke, darüber haben wir nicht allzuviel nachgedacht. Wir haben einfach die Musik gemacht, die wir mögen. Und die Leute, die auch auf solche Musik stehen, werden die Scheibe vermutlich kaufen. Wir haben die Songs im übrigen auch schon live gespielt, auf verschiedenen kleineren Festivals, und sie kamen eigentlich ganz gut an.

Und was macht ihr, wenn sich das Album schlechter verkauft als erwartet?

Wir werden uns betrinken, haha. Nein, ich habe keine Ahnung. Es geschah alles so schnell, daß wir eigentlich gar keine konkreten Erwartungen haben. Wir sind schon froh, wenn wir ein paar tausend Einheiten absetzen können.

Wenn alles so furchtbar schnell ging: Wann habt ihr denn mit dem Songwriting für das Album angefangen?

Na das hat schon ziemlich lange gedauert, so ein oder zwei Jahre. Wir sind nicht sonderlich produktiv, wenn es darum geht, Songs zu schreiben.

Wer ist denn der Hauptsongwriter, und wie läuft das Ganze bei euch ab?

Das ist mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. Wir haben alle so unsere Ideen, und damit kommen wir irgendwann zusammen und spielen die Sachen den anderen vor. Oder wir jammen einfach nur ein bißchen rum. Daraus entwickeln sich dann irgendwie die Songs.

Interessant ist auch das Alter der WORLD OF SILENCE-Musiker: zwischen 20 und 23. Wenn ihr so jung seid, klingt es schon irgendwie vermessen, daß ihr so gut wie DREAM THEATER spielen wollt. Auf der anderen Seite hört man dem Album aber auch an, daß ihr eure Instrumente sehr gut beherrscht. Verbringt ihr denn all eure Zeit damit, eure Fähigkeiten immer und immer weiter zu verbessern?

Zur Zeit spielen wir nicht sehr viel. Wir sind ein wenig ausgepowert nach den Aufnahmen und machen ein bißchen Urlaub von der Musik. Zum Teil haben wir auch anderes zu tun. Unser Schlagzeuger studiert Musik, an einer Universität 300 Kilometer von hier. Ich studiere Informatik, und damit bin ich ganz gut ausgelastet. Die anderen sind arbeitslos, und wahrscheinlich hängen sie zur Zeit einfach nur rum. Aber vielleicht spielen sie ja auch ein bißchen auf ihren Instrumenten.

Nun zu einem anderen Thema: Eure Texte. Worum geht's da?

Ein richtiges Textkonzept haben wir nicht. Es steckt einfach nur viel persönliches in in den Lyrics.

... was aber nicht sonderlich konkret formuliert ist.

Ja, sie sind mehr allgemein gehalten. Ich weiß auch nicht, ob die Leute sie mögen werden. Aber so sind sie nun mal, auch wenn es darüber jetzt nichts großartiges zu erzählen gibt, haha. Bei den Texten handelt es sich um den schwierigen Teil beim Schreiben der Musik. Wir sind nämlich in erster Linie Musiker und keine Poeten. Wir schreiben unsere Songs, und plötzlich merken wir, daß wir noch Texte brauchen.

Und warum nehmt ihr dann kein Instrumental-Album auf?

Ja, das wäre eine Idee. Aber dann müßten wir unseren Sänger vor die Tür setzen, und dafür sind wir zu nett. Es wäre wahrscheinlich wesentlich schwieriger, dafür ein Label zu finden. Im Bereich der harten Musik existiert kein großer Markt für Instrumentalmusik. Aber eine interessante Idee wäre es. Unser Sänger könnte ja ein anderes Instrument lernen.

Wäre wahrscheinlich auch nicht so toll, denn eine gute Stimme hat der Kerl auf alle Fälle. Ob die Band das Album bei uns live promoten wird, steht momentan noch in den Sternen - wenn auch Thomas da so seine Vorlieben hätte:

Eine Tour mit DREAM THEATER wäre gut, haha.

Restless

 Zurück zu den Interviews
 Zurück zur Hauptseite
Suche:
powered by crawl-it
Valid HTML 4.01!