Montag, 23. Dezember 1996, Bonn (Biskuithalle)
Das sind vielleicht Gegensätze: Gestern noch beim mit 180 Leuten ausverkauften SKYCLAD-Gig, heute wieder in einer Halle für zweieinhalbtausend Personen. Und die waren wohl auch da. Offensichtlich hat die Biskuithalle ihr langjähriges Tief überwunden und zieht jetzt immer mehr gute Bands nach Bonn. Mir kann's nur recht sein, denn von hier aus kann ich zur Not auch noch zu Fuß nach Hause gehen :-)
Nichtsdestotrotz kam ich zu spät, weil ich mich mal wieder nicht rechtzeitig aus meiner Stammkneipe in der Bonner Innenstadt abseilen konnte. So verpaßte ich auch die erste Häfte von SPEEDBALL. Das hat mich aber nicht sonderlich gestört. Zugegeben: Die Band war nicht schlecht, und musikalisch paßte sie auch recht gut ins Package, sprich: Kerniger Hard Rock war angesagt. Nur ist das eine Musikrichtung, bei der ich mich dann doch an die bekannten Acts halte, von denen ich auch die Songs kenne. So stand ich erstmal an der Theke rum, wobei mir auffiel, daß die Biskuithalle mit vier Mark für ein Bier, verglichen mit anderen Konzerttempeln, fast schon wieder als preiswert zu bezeichnen ist. So nebenbei registrierte ich dann aber doch, daß SPEEDBALL recht gut ankamen. Sei es ihnen gegönnt.
Dann kam der Zwerg des harten Rock: Ronnie James DIO und seine Mannen. Und der Kerl schaffte es doch tatsächlich wieder, die Massen zu begeistern. Schon seit Jahren lasse ich seine CDs unbeachtet im Plattenladen stehen, aber mit dieser Songauswahl, die einen Großteil alter Sachen beinhaltet, mußte man einfach zufrieden sein. Es gab nämlich nicht nur DIO-Klassiker wie "Holy Diver", "Stand Up And Shout" oder "The Last In Line" zu hören, sondern auch "Man On The Silver Mountain", "Heaven And Hell" - bei dem ich mich mit leuchtenden Augen zu meinem Kumpel umdrehte und meinte: "Maik, das ist meine Jugend!", was der jedoch aufgrund seiner Ex-DDR-Vergangenheit nur ansatzweise nachvollziehen konnte - und "Mistreated". Da konnte man dann auch die Tatsache, daß Ronnie James auf der Bühne nicht mehr mit Drachen kämpft, wie auch das vollkommen überflüssige Drum-Solo, leicht verschmerzen. Ein Fest für alle Nostalgiker - so wie mich ;-)
Dennoch war die Halle wohl in erster Linie wegen MOTÖRHEAD so voll, und das ist schon bemerkenswert, denn schließlich ist die Band in den letzten zehn Jahren zumindest nicht besser geworden - meiner Meinung nach. Und auch hier war es in erster Linie die gelungene Mischung aus neuem und altem Material, die mich begeisterte. Was soll man hierzu noch viel schreiben: Dieser Mann ist einfach Kult. Da kommt er - wie am Anfang des Zugabenteils - auf die Bühne, fragt einfach nur "Ready?", und die Meute ist am Toben. Bemerkenswert am MOTÖRHEAD-Publikum ist wohl auch, daß es meistens viel zu laut war, was sich natürlich negativ auf den Sound auswirkte, und Lemmy auf die Frage, ob die Band denn zu laut sei, ein einstimmiges "No!" zur Antwort bekam. Aber selbst ein zweitklassiger Sound geht bei dieser Band in Ordnung, wenn dafür die Ohren wegfliegen. Ich brauche vermutlich kaum noch zu erwähnen, daß mir spätestens bei "Killed By Death" klar war, daß die Funktion meiner Nacken- und Schultermuskulatur über die Weihnachtsfeiertage wohl sehr stark eingeschränkt sein würde.
Fazit: Wohl kaum einer ging unzufrieden nach Hause. Dennoch frage ich mich, ob man ein solches Konzert - auch mit zwei Top-Acts - nicht vielleicht auch für unter 50 DM organisieren kann. Und wenn die Zahl der grün uniformierten Personen vor der Halle in die Dutzende geht, obwohl das Konzert absolut friedlich verlief, werde ich auch ein wenig stutzig und frage mich, ob meine Steuergelder jetzt dafür verwendet werden, mich vor mir selber zu schützen ...
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