Amorphis & Evereve

Dienstag, 4. Februar 1997, Karlsruhe (Irish House)

17:00 Ich begebe mich langsam in Richtung Plattenladen, da AMORPHIS dort eine Autogrammstunde abhalten sollen. Um 17:40 frage ich den Inhaber, was denn jetzt mit der Autogrammstunde sei. Er erklärt mir, daß diese ausfällt, da Tomi, der Sänger, erkältet sei und seine Stimme schonen wolle. Dumm gelaufen.

19:00 In der Straßenbahn treffe ich ein paar Leute, die auch nach Karlsruhe-Hagsfeld auf den Gig wollen. Um 19:30 (offizieller Konzertbeginn) ist der Schuppen natürlich noch relativ leer. Am Eingang der Halle treffe ich auf Felix, Katrin und Co. von CREMATORY.
Gegen 20:00 beginnt der Gig von EVEREVE. Der Leadgitarrist läuft auf, der Rhythmus-Gitarrist, und dann - Joey DeMaio!! Schade, die Ähnlichkeit war verblüffend. Während des Liedes gesellt sich dann auch langsam der Sänger auf die Bühne: Motorradstiefel (KISS), Lackhosen (MOONSPELL? LACRIMOSA? Beate Uhse?) und Lederweste. Aussehen tut er wie eine breitere Version von Sebastian Bach von SKID ROW. Als er später sein Jäckchen auszieht, enthüllt er das untollste Tattoo des Jahres 1997. Nach dem ersten Lied überbringt er dann die Hiobsbotschaft, daß Tomi von AMORPHIS schwer krank ist und sie deshalb weniger Lieder spielen, damit auch der Gig von AMORPHIS früher aus ist. Gleichzeitig stellt er den Ersatzklampfer vor, denn der normale Gitarrenmensch macht gerade Abi.

Als sie nach vier Liedern ihres "Seasons"-Albums von der Bühne wollen, kommt ein Roadie und teilt ihnen mit, daß noch Zeit sei. Nach dem nächsten Lied kommt er wieder und sie dürfen "Spring" sogar ein zweites Mal spielen. Ihre musikalische Leistung war überzeugend, aber das Acting vom Sänger sah aus wie eine Gothic/Power Metal-Mischung. Naja.

Der Sound von EVEREVE liegt irgendwo zwischen MOONSPELL, TIAMAT, PARADISE LOST und eben CREMATORY, jedoch haben sie einen relativ eigenständigen Stil. Unter anderem spielten sie das schon oben erwähnte "Spring", " Winter Night Depressions" und einen deutschen Titel.

Nach Gig-Ende kommt der uns schon bekannte Roadie und läßt verlauten, daß der Arzt Tomi verboten hat zu singen, AMORPHIS deshalb weniger Lieder und nur mit einem Sänger spielen.
Die fünf Finnen ziehen sich trotzdem achtbar aus der Affäre und da ich vom neuen Album eh nur wenige Lieder kenne, fällt es nicht so ins Gewicht, daß die üblen Grunzparts nun etwas weniger brutal rüberkommen. Der verbliebene Sänger ist ein sehr ruhiger Zeitgenosse, er läuft eher Hardcore-mäßig auf der Bühne rum, was zum Outfit (Bracket, Ziegenbart) sowieso besser paßt. Sein melancholisches Auftreten paßt zu der Musik, ohne daß es nach Wave (s.o.) aussieht. Die Finnen spielen leider nur zwei Lieder vom "Tales ..."-Album und begründen dies mit Tomis Ausfall. Ob AMORPHIS seit "The Karelian Isthmus"-Zeiten nicht gelernt haben, die Geschwindigkeit zu halten, oder ob es an den Umständen lag, weiß ich nicht, jedoch lieferten sie, davon abgesehen, einen Klasse-Gig.
Anwesend waren schätzungsweise 250 Leute, die es leider nicht für nötig hielten, die zwei einzigen Stage-Diver zu fangen. Runkarri!

Mit diesem Schimpfwort (ist finnisch und heißt in etwa Penner) begrüßten zwei (finnische) Bekannte von mir immer wieder die Band. Nach der letzten Zugabe ließ sich der Drummer noch schnell auf der Bühne blicken und wurde sofort mit Perkele, Runkarri u.ä. traktiert, bis er sich dann mit den zwei Finnen unterhielt. Er war dann so freundlich, unsere Shirts und Kutten mit nach Backstage zu nehmen und signieren zu lassen. Als er dann wieder rauskam, brachte er Bier mit und unterhielt sich auf finnisch, während die zwei englischen Roadies sich auf finnisch beschimpften und in Scheingefechte ausbrachen. Meinem Kumpel signierten AMPRPHIS anschließend noch seine Unterhosen mit einem finnischen Ausdruck, der soviel wie Scheiße stinkt bedeutet, um sich danach zu CREMATORY und EVEREVE zu gesellen. Der Sänger ist entweder kein Finne oder er war zu stoned, auf alle Fälle reagierte er auf finnische Konversation etwas sprachlos.

Ich krabbelte auf die Bühne und fragte den Roadie, ob ich denn nicht einen Stick haben könnte, was er mit "Get off the stage, bastard! Runkarri!" beantwortete, nur um mir dann einen Drumstick zuzuwerfen.
Trotz der widrigen Umstände war es ein klasse Konzert und ich habe eines gelernt: Runkarri!

Bone

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