Theatre of Tragedy, Atrocity,
Saviour Machine & Alastis

Freitag, 15. August 1997, Köln (Kantine)

Die Popkomm in Köln bietet ja schon eine ganze Reihe interessanter Konzerte auf einmal. Dumm ist nur, wenn die Konzerte über den Tellerrand vieler meiner Kumpels hinausgehen, und wenn die, die sich für vielerlei Musik interessieren, keine Zeit haben. Das heutige Package ist auch wieder so ein nur ansatzweise Metal-kompatibles, so dass ich als überzeugter Bus- und Bahn-Benutzer mal wieder ohne Mitfahrgelegenheit dastand, was dazu führen sollte, dass ich die beiden letzten Bands des Abends, JOACHIM WITT und DAS ICH, verpassen würde, da die letzte Bahn vom Köner Westen nach Bonn leider nicht nachtschwärmertauglich ist. Obendrein fangen die Konzerte in der Kantine auch nie pünktlich an ...

Egal. Bei schönem Wetter und in bester Laune mache ich mich auf in die Kantine, um mich unter das sehr gemischte Publikum zu begeben. Hierbei stelle ich fast, dass die ganzen Düster-Gothics sich nicht nur in abgedunkelten Räumen aufhalten, sondern durchaus, an der Sonne sitzend und ein Bierchen schlürfend, auch das irdische Dasein genießen können. Positiv: Am Einlaß bekommt man einen Stempel, so dass man in den Umbaupausen die Halle verlassen konnte. Dass der Merchandise-Stand dann letztendlich auch draußen ist, hat wohl auch nicht mit der Menge der Besucher zu tun - so voll ist es nämlich nicht - sondern vermutlich nur mit dem schönen Wetter.

Den Reigen eröffnen ALASTIS, die mir durch ihre starke Scheibe "The Other Side" bekannt sind. Doch leider bewahrheitet sich das im Vorfeld kursierende Gerücht, dass die Jungs live nicht so der Hit sein sollen. Die einzelnen Songs kann man dann auch nur genießen, wenn man sich darauf konzentriert und die Platte kennt; für die übrigen Besucher ist der Hörgenuß eher mäßig, zumal auch der Sound nicht so toll ist.

Eric Clayton (Saviour Machine)

Als nächste betreten dann SAVIOUR MACHINE die Bühne, und die Jungs wissen tatsächlich zu gefallen. Das Aussehen der Musiker ist schon eine Story für sich: Während der Gitarrist noch aus den Sechzigern zu stammen scheint, verkörpert der (mit einer hervorragenden Stimme gesegneten) Mann am Mikro mit seiner weißen Schminke und Umhang den inhaltlichen Kontext, sprich: die christlichen Texte der "Legend Part I"-Scheibe. Dazu passt auch die Bühnenausstattung und die Show: Zwei Ständer mit brennenden Kerzen bestimmen das Bünenbild, und während des Sets wird auch schonmal eine Israel-Flagge in Blut (sprich: rote Farbe) getaucht. Die Musik besteht im Wesentlichen aus Stücken des erwähnten Albums, die zum Großteil so gespielt werden, dass sie ineinander übergehen, was der Umsetzung der Story zugute kommt, jedoch dem Publikum wenig Gelegenheit zum Applaus gibt. Es scheint auch nur ein kleinerer Teil der Besucher an dieser Band interessiert zu sein (was aber wohl auch nicht anders zu erwarten war), aber diese bilden eine ziemlich dichte Traube vor der Bühne. Als der Sänger gegen Ende des Sets die Kerzen auf einem der Ständer durch Draufhauen mit der flachen Hand löscht, spritzt einigen von uns das heiße Wachs um die Ohren (Zitat meines Nachbarn: "Das hätte ins Auge gehen können."). Dass der Kerl mit dem zweiten Kerzenständer dann deutlich vorsichtiger zu Werke geht, spricht für die Fannähe der Band. Zu erwähnen ist noch, dass die Musiker später noch (im Bühnenoutfit übrigens) im Publikum umherliefen, Autogramme gaben und sich bereitwillig auf Diskussionen über den religiösen Charakter ihrer Musik einließen. Das gibt Symphatie-Pluspunkte.

Krulle (Atrocity)

Als nächste sind ATROCITY an der Reihe. Die Haare von Frontmann Krulle dürften mittlerweile länger als die des bisherigen Rekordhalters Warrel Dane (NEVERMORE) sein. Die Combo scheint beim anwesenden Publikum recht beliebt zu sein - zumindest füllen sich die vordersten Quadratmeter der Halle ganz ordentlich, und die freibleibenden Lücken werden ausgiebig zum Pogen benutzt. Das soll jetzt nicht heißen, dass die gesamte Halle in Bewegung ist, aber einen gewissen Sicherheitsabstand zum Kern des Geschehens halte ich jetzt schon ein. Der Großteil des dargebotenen Materials stammt natürlich von den neueren Releases der Jungs. "Die Liebe" kommt unter anderem mit dem Titeltrack und dem Song "Die Totgeweihten" zum Zuge, und von "Werk 80" gibt es "Tainted Love" sowie "Der Mussolini" zu hören. Letzteres kenne ich noch im Original von D.A.F., aber die ATROCITY-Version gibt diesem Song den letzten Kick, da die harten Gitarren eigentlich sehr gut dazu passen.

Liv Kristine (Theatre of Tragedy)

Ein optischer Höhepunkt der Schow ist Liv Kristine von THEATRE OF TRAGEDY, die bei zwei Liedern ("Shout" und "Send Me An Angel") ihre Stimme zur Verfügung stellt. Sie erscheint im knappen Lederoutfit, aber da ich im Gedränge vor der Bühne nicht dazu komme, ein Foto zu machen, vertröste ich mich auf den T.O.T.-Auftritt danach.

Dummerweise hat aber die Gute beim Auftritt mit ihrer Stamm-Band dann nicht dieses knappe Lederteil an, sondern eines ihrer typischen, oft gesehenen und alles andere als knappen Gothic-Kleider. Aber wir sind ja nicht wegen der Optik hier, sondern wegen der Musik, und die kann überzeugen - mehr aber auch nicht. THEATRE OF TRAGEDY bringen das übliche Programm, inklusive "Der Spiegel", "Der Tanz der Schatten", und "Black As The Devil Painteth", nur eben etwas gestrafft. Im Gegensatz zu ATROCITY macht es bei T.O.T. nicht soviel aus, dass die Büne so klein ist: Übermäßig viel bewegen tun sich ja weder Liv Kristine noch ihr männlicher Gegenpart. Im Großen und Ganzen ist der Auftritt nicht schlecht, aber auf irgendwelche neuen Elemente oder Überraschungen wartet man vergeblich. Wobei man als Entschuldigung durchaus anführen kann, dass T.O.T. ja nur eine von sechs Bands des heutigen Programms sind.

Blöderweise muss ich mich dann aber schon auf den Weg zur Bahn machen, bevor die Band ihren Set beendet. Ich gehe mal davon aus, dass das gesamte Konzertereignis noch bis mindestens zwei Uhr morgens ging, da in der Umgebung der Kantine eigentlich niemand wohnt. Also zweifellos "value for money".

Restless

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