Samstag, 11. Januar 1997, Köln (Underground)
Das Underground in Köln liegt ganze 200 Meter von der Live Music Hall entfernt und ist der Venue im Kölner Westen für die Bands, die die LMH nicht vollkriegen. Und da OOMPH! in meinem Bekanntenkreis auch relativ wenig erwähnt werden, hatte ich eigentlich gar nicht viele Leute erwartet. Denkste. Das Underground war zwar nicht ausverkauft, aber mit 300 bis 400 Leuten recht gut gefüllt. Das Publikum war zwar nicht ganz so vielschichtig wie bei RAMMSTEIN, aber vom Hardcore-Freak über schwarzgekleidete Gothic-Mädels Anfang 20 bis zum Normalo reichte die Bandbreite dann doch. Auffallend war dabei der hohe Anteil der Gepiercten - zumindest was die Körperstellen angeht, die öffentlich sichtbar sind ...
Um 20.15 Uhr ging es los mit den Vorturnern von IN COLD BLOOD. Deren Name war aber scheinbar nirgendwo bekanntgemacht; ich erfuhr ihn nur durch meine Unterhaltung mit der Rock Hard-Fotografin Barbara, die meinte, das stände zumindest auf einem Teil der T-Shirts am Merchandise-Stand. Ich vermute mal, daß jene Shirts diesen Stand auch während der Tour nicht verlassen werden, denn die Reaktionen des Publikums kann man noch nicht mal als Höflichkeitsapplaus bezeichnen. Schade eigentlich für die drei Jungs, denn so schlecht waren sie nicht. Ihre Musik liegt irgendwo zwischen Rock'n'Roll und Punk, gewürzt mit einem Schuß Rockabilly. Musik, die eigentlich Spaß macht und auf jede Party paßt, aber vor dem offensichtlich sehr intoleranten OOMPH!-Mob fehl am Platz ist. Naja, zumindest gab's keine "Aufhören"-Rufe. So konnte man denn innerhalb von 30 Minuten acht oder neun Songs runterschrubben, nur unterbrochen durch die Ansagen der Titel, wobei der Kontakt zum Publikum zu keiner Zeit des Sets vorhanden war.
Warum die Umbaupause eine Dreiviertelstunde gedauert hat, werden wohl nur
OOMPH! selber gewußt haben. Es wurde zwar das Schlagzeug der Vorband
ab- und das elektronische Schlagzeug für OOMPH! aufgebaut; dieses war
aber auch nicht sonderlich umfangreich. Gegen halb zehn ging's dann los
mit "Wälsungenblut" vom aktuellen Longplayer
"Wunschkind",
sicher eines der geilsten Intros, das man
sich für einen Live-Auftritt wünschen kann. Der erste richtige Song
war "Born-Praised-Kissed", und jetzt wußte man schon,
daß die Combo live noch deutlich aggressiver als auf CD zu Werke geht.
Naja, mit zwei Gitarristen, einem Bass und dem furztrockenen Sound der
E-Drums kann man schon ein ziemliches Brett abliefern, wobei der Drummer
nebenbei auch noch die Keyboard-Samples abfuhr. Der Gesamtsound erinnerte
an RAMMSTEIN einerseits sowie die Thrash-Gewitter von FEAR FACTORY oder
MINISTRY (zu "Psalm 69"-Zeiten) andererseits. Die Band brachte eine
solche Power und Energie rüber, daß OOMPH!, will man jetzt mal
wieder den direkten Vergleich zu RAMMSTEIN ziehen, die eindeutigen Sieger
sind.
Zumindest, was die Mucke betrifft, denn eine großartige Show mit
Pyros, Flammenwerfern und Ähnlichem kann man im Underground natürlich
nicht abziehen.
Bereits nach wenigen Songs war in der Mitte vor der Bühne die Hölle
los und ich war froh, mich ein wenig nach vorne rechts orientiert zu haben.
Die Songauswahl bezog wohl alle vier Alben mit ein, denn von
"Wunschkind"
- ihrer einzigen Scheibe, die mir bekannt
ist - wurden gerade mal sechs Songs gespielt (außer den beiden
genannten noch der Titelsong, "Krüppel", "I.N.R.I."
und "You've Got It").
Etwa ein halbes Dutzend Mal warf sich Sänger Dero in die Menge, um mit den
Fans ein wenig rumzupogen, auf mindestens zehn Mal brachte es ein
Stagediver. Auffällig war, das alles absolut friedlich ablief; eine
Security am Bühnenrand gab es nicht und sie war auch nicht notwendig.
Wenn im Eifer des Gefechts eine Monitorbox verschoben wurde, so waren es die
Fans selbst, die diese in einem günstigen Moment wieder an ihren Platz
schoben. Auch meiner Fotoausrüstung und meiner Jacke, die eine Stunde
lang am Bühnenrand lagen, ist nichts passiert.
Insgesamt zweimal wurde
die Band wieder auf die Bühne gerufen, die letzte Zugabe war ein Stück
vom Erstling ("Wie schmeckt Dir mein Herz"), der in CD-Version
vermutlich bestenfalls in jede Techno-Disco gepaßt hätte,
aber mit Metal nix zu tun hatte.
Aber auch dieser kam live gut rüber. Danach ging die
Band endgültig von der Bühne, nicht ohne sich vorher mit Verbeugung
beim Publikum bedankt zu haben.
Auch wenn ich bis dato die Band zwar nicht schlecht fand, aber auch so meine
Probleme mit dem EBM-lastigen Material hatte, so bin ich doch heute zu einem
OOMPH!-Fan geworden. Dabei ist es, um das nochmal als Fazit zu sagen, vor
allem die Energie, die die Band live rüberbringt, die mich überzeugt
hat.
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