Sonntag, 9. März 1997, Andernach (Jugendzentrum)
Als wir das Andernacher Jugendzentrum betreten, bietet sich uns ein relativ
ungewohntes Bild: gähnende Leere vor der Bühne. Das liegt zum
Teil am frühen Auftrittsbeginn (19:15), aber auch an der
Zurückhaltung der Zuschauer. Letztere überfällt dann auch
mich. Ich kenne die erste Band des heutigen Abends, COURT JESTER aus Trier,
zwar schon einige Jahre und habe auch schon etliche ihrer Live-Konzerte
miterlebt - seinerzeit bin ich sogar bis ins Saarland gefahren - aber
gerade deshalb bin ich zunächst mal etwas befremdet, als ich zwei mir
unbekannte Gesichter im Line-Up entdecke und darüberhinaus nicht ein
einziges mir bekanntes Lied gespielt wird. Zumindest nicht in der zweiten
Hälfte des nicht mal halbstündigen Auftritts, die wir noch
mitbekommen.
Aber dennoch: Mit ihrem vielleicht etwas antiquierten, aber
deshalb keineswegs schlechten Hard Rock/Heavy Metal
(CD-Review an anderer Stelle)
ernten die Jungs zumindest Achtungsapplaus. Man merkt
hieran, daß das Andernacher Publikum doch noch deutlich dankbarer ist
als die Pappnasen im Ruhrgebiet oder in Köln, wo unbekannte Bands
zumeist mit verschränkten Armen verabschiedet werden.
Weiter ging's nach kurzer, aber nötiger Umbaupause (COURT
JESTER-Drummer Frank ist Linkshänder und mußte zu dem ganzen
anderen Plunder auch noch sein eigenes Drumkit auf die Bühne packen)
mit UNREST. Diese Band war mir bis dato nur vom Namen her bekannt, aber das
sollte sich jetzt ändern. Die Jungs schlugen mit ihrem 80er-Jahre-HM
in exakt dieselbe Kerbe wie die Trierer zuvor.
Der Sänger
verkörperte mit Lederweste, Cowboystiefeln und Tatoo das
Metal-Klischee des letzten Jahrzehnts, und mit einem dezenten Nietenarmband
wäre der Kerl perfekt gewesen. Aber auch so boten die Jungs eine
energiegeladene Show und hatten die mittlerweile vielleicht hundert
Anwesenden recht schnell in ihren Bann gezogen.
Das wirkte sich
natürlich wieder auf die Band aus, deren Spielfreude nach kurzer Zeit
kaum mehr zu bremsen war, und so entwickelte sich dieses Konzert zu einem
True Metal-Party-Abend der Oberklasse. Nach Ende der eigentlichen Spielzeit
war für die Band dann auch nicht daran zu denken, die Bühne zu
verlassen, und so gab's auch noch eine Zugabe. Danach ließ man ein
rundum zufriedenes Publikum zurück, und es war klar, daß SCANNER
es - trotz Headlinerposition - schwer haben würden, das zu
überbieten.
Um es vorwegzunehmen: Sie haben es nicht geschafft. Man merkte zwar von
Beginn an, daß die meisten Leute natürlich wegen ihnen da waren.
So wurde es schon während der ersten Takte recht voll vor der
Bühne, und auch der Sänger stand zu Beginn noch in der ersten
Reihe, um erst bei seinem Einsatz die Sonnenbrille aufzuziehen (mag man
jetzt als unnötige Show abtun, wirkte aber ehrlich) und die Bretter zu
betreten. Danach stand er kaum eine Sekunde still und zappelte wie ein
Besessener über die Bühne. SCANNER boten eine gute Mischung ihres
Repertoires, mit dem Schwerpunkt natürlich auf neuerem Material.
Highlights waren das allseits bekannte "Puppet On A String" sowie
das leider durch einen etwas nachlassenden Sound getrübte "Across
The Universe" vom Erstling. Es lag wohl vor allem an der geringeren
Party-Kompatibilität der als Melodic Speed Metal zu
bezeichnenden SCANNER-Mucke, daß UNREST aus dem heutigen Abend als
Sieger hervorgingen. Dennoch boten alle drei Bands eine solide Vorstellung,
und ich bin froh, daß es immer noch Bands gibt, die nicht den Trends
hinterherlaufen und noch richtigen Metal wie vor zehn Jahren machen. Da
fällt es dann auch nicht weiter ins Gewicht, daß die
Geheimratsecken der Musiker auch schon etwas höher sind.
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