Furia 98

mit Bad Religion, Cradle Of Filth, The Specials, Napalm Death, Moonspell, Anathema, and more

Freitag, 4. September 1998, Straßburg/France (Parc du Rhin)

Um 14 Uhr erhaschte ich von THERION gerade noch zwei Lieder auf dem Weg aufs Gelände. Und das Gerücht hatte sich bewahrheitet, daß man mit der Eintrittskarte vom Bizzare umsonst auf das heutige Festival kam, so daß ich mir 67 Mark sparen konnte.

Die zwei Bühnen nebeneinander - auf der einen spielten die Bands der Vans Warped-Tour, auf der anderen die Heavy-Bands - waren geschickt durch die Halfpipe abgegrenzt, so daß sich die nicht sehr zahlreich erschienenen Zuschauer (etwa 1000 Nasen am Abend, 300 - 400 mittags) nicht noch mehr verlaufen konnten.

Die erste Band, dich ich auf der Vans-Bühne sah, waren SAVE FERRIES, deren agile Bläsertruppe das Publikum zum Hüpfen und skanken brachten, während die wirklich gute Sängerin mit ihrem Kleidergeschmack und dumm-primitiven Ansagen komplett aus der Rolle fiel. Der Ami-Ska war recht schnell und groovig, ohne jedoch in Punk-Gefilde abzudriften, und die drei Bläser brachten das nötige Jamaika-Feeling mit.

Als nächstes spielten meine britischen Lieblinge von ANATHEMA auf, die jedoch nicht die richtige Athmosphäre (30 Grad und strahlender Sonnenschein um 15 Uhr) hatten, um ihre Düstersounds gut rüberzubringen. Bei ihnen stimmte der Sound perfekt, der glasklare Gesang konnte trotz des Wetters gelegentliche Gänsehaut erzeugen, doch von den Zuschauern konnte sich keiner zu gelegentlichen Bewegungen aufraffen. Als ich dann wenigstens bei "Sleepless" auf ein kleines Moshpit hoffte, wurde ich abrupt von drei Black-Metal-Ärschen in die Wirklichkeit gerufen, die mir mit Fäusten klarmachen wollten, daß sie zu cool für Action wären. Oder hatten sie nur Angst um ihr peinliches Corpse-Paint? Trotzdem, ANATHEMA spielten super, obwohl sie die Lahmarschigkeit der Menge tierisch ankotzte (Kommentar: "Don't move, we could like it, eh?"). Wenigstens kam es am Ende des Sets zu einem geilen Platzregen, der einfach kongenial zur Musik paßte und auch bei NAPALM DEATH wieder zum richtigen Zeitpunkt einsetzen sollte. Und ich werde mir jetzt erst mal den ANATHEMA-Backkatalog nachkaufen.

LAGWAGON, NO USE FOR A NAME, BULLYRAG und H-BLOCKX schenkte ich mir dann, weil diese Xover-Mucke einfach nicht mein Ding ist. Aber meinen anwesenden Bekannten aus der Skaterszene gefiel es, obwohl sich auch hier die Agilität des Publikums in Grenzen hielt.

MOONSPELL hatten so einen grottenschlechten Sound, daß ich schleunigst den Weg zurück an den Rhein antrat, da ich auch mit dem neuen Material der Portugiesen nicht bekannt war. Immerhin spielten sie das gnadenlos geile "Vampiria", womit dann die Midtempo-Gothic-Mucke doch etwas aufgelockert wurde.

Und dann kamen, zu meiner großen Freude, statt den im Vorprogramm angekündigten FEAR FACTORY tatsächlich NAPALM DEATH zum Zuge! Barney Greenway (mit Celtic Glasgow - Tattoo!) und seine Mannen grindeten sich durch sämtliche Alben, spielten natürlich "Suffer", "Greed Killing", "Nazi Punks Fuck Off" und etliche andere Killertracks, die Menge moshte, divte, schlammte und rastete aus, so daß die Engländer ihre wahre Freude dran hatten, noch schneller zu spielen. Zum Glück hatten ND einen tollen Sound, der bei dem Gebolze doch noch die Musik erkennen lies. Danke ND und danke für den Drumstick!!

Auf der Vans-Bühne spielten nun die Ska-Heroen THE SPECIALS zum Tanze auf, die Bühne war voll von Musikern die wie dumm durch die Gegend rannten, hüpften und tanzten und das Publikum voll im Griff hatten. Das obligatorische "Message to Rudie" war natürlich auch im Set und es kam nun endlich auch vor der Skate-Bühne zu größeren Bewegungen, während eine riesige Pot-Wolke über den Köpfen der Zuschauer stand.

Währenddessen hatten sich alle CRADLE-bekleideten (etwa 80 Prozent der Metaller hatten eines dieser tollen Leibchen an) an die Absperrungen vor der Bühne gekettet, wo sie und alle anderen nach THE SPECIALS noch dreißig Minuten trotz fertiger Backline warten mußten, bis CRADLE OF FILTH endlich doch auf die Bühne kamen. Da das Intro ständig im CD-Player rumsprang, war Front-Zwerg Dani, der mittags schon beim Gang übers Gelände von den Fans heftigst umlagert wurde, sichtlich geladen. Der Sound war grottenschlecht, der Schlagzeuger spielte nur minimale Beats trotz Riesenkit und auch die Gitarristen wußten nicht sehr zu überzeugen, ganz einfach weil nur Danis Gekreische oder abwechselndes Gothic-Gesinge und die Bassdrums zu hören waren. Außer gelegentlichen Rundläufen über die Bühne oder ansatzweisem Haeadbangen kam es zu keinen tollen Aktionen, ausgenommen vielleicht die ausschließlich von hinter den Musikern (sind die so häßlich?) kommende Lichtshow und der gegenüber scheinende Vollmond über Straßburg. Das Publikum war auch nicht so enthusiastisch, so daß die Band dann ihr Black Metal-Set mit "Sodomy and Lust" beendeten und ich mich fragte, wie man ausgerechnet bei diesem Lied den Text vergessen kann. Da Black Metal eh nix für mich ist, war ich von der Darbietung auch nicht so geschockt. Zehn Minuten nach ihrem Abgang (wir standen wegen BAD RELIGION schon wieder vor der Skate-Bühne), kamen dann COF zurück - was von links (dort war die Vans-Bühne) zu einem gellenden Pfeifkonzert führte - um noch einmal fühnzehn Minuten zu rocken. Während jeder Pause oder ruhigen Passage wurden das Pfeifkonzert und die BAD RELIGION-Rufe (respektive Bahd Relischiöhn auf französisch) lauter, nicht einmal SLAYER's "Hell Awaits" wurde beklatscht. Die Wogen schlugen hier wirklich hoch und ich hätte mit Auseinandersetzungen zwischen der Black Metal- und der Ska-Fraktion gerechnet.

Irgendwann kamen dann BAD RELIGION auf die Bühne, und der Sänger mußte doch nach jedem dritten Lied und auch am Anfang des Sets minutenlang Witze über einen Black Metal-mäßigen Gesangs-Verzerrer reißen, die niemand verstand, so daß das eh schon gereizte Publikum noch böser wurde und auch hier Pfiffe und Fuck You-Rufe laut wurden.

BAD RELIGION spielten ein paar Klassiker ("21st Century Digital Boy", "American Jesus", ...), das unsägliche "Raise Your Voice" und "Punk Rock Song", um dann nach höchstens dreißig Minuten um halb zwölf von der Bühne zu verschwinden, obwohl sie noch locker hätten zehn Hits spielen können und müssen. Nix wars mit "Generator", "Against the Grain" oder "Operation Rescue", so daß das Publikum pfiff, buhte, klatschte, Zäune umwarf und hoffentlich noch mehr Unsinn veranstaltete, damit die tollen Punker auch ja merken, wie publikumsfreundlich und einfach überheblich asozial sie doch waren. Vielleicht sind sie halt mittlerweile nur zu alt.

Anyway, die beiden Headliner haben auf ganzer Linie enttäuscht, während es ansonsten, abgesehen von organisatorischen Mängeln wie lange Wege (drei verschiedene Stände mußte man aufsuchen, bis man aus den Deutschmark Francs hatte, Bons bekam und dann ein teures Bier kaufen konnte), teure Verpflegung und keine Möglichkeit, nach Verlassen des Geländes nochmal auf selbiges zu kommen (unsere Regenkapes waren im Auto...!), doch ein geiler Tag war. Hoffentlich können die veranstalter es sich leisten, nächstes Jahr wieder so ein Brett zu fahren.

Bone

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