Dienstag, 8. April 1997, Bochum (Zeche)
Diese Schweine. Da habe ich mir bei unserem letzten Besuch in der Zeche (bei SKYCLAD, RIOT & WHIPLASH war das, glaube ich) doch endlich merken können, daß man die Abfahrt zur Universität nehmen muß, und dann schreiben sie das erst dann auf den Wegweiser, wenn man an der Ausfahrt quasi schon vorbei ist. Seinerzeit sind wir in derselben Situation quer über vier Spuren gefahren, aber heute wollte ich das meinem Fahrer Pierre nicht zumuten, da ihm sonst vermutlich das Bier zwischen den Beinen weggerutscht wäre und ihm den Teppich im schönen neuen Auto versaut hätte. Sein Auto ist übrigens mit einem ziemlich kultigen CD-Player ausgestattet, der spätestens dann mit Bodenwellen nicht mehr zurechtkommt, wenn er warm ist. Im Klartext: für den Stadtverkehr ist das Ding eine prima Sache, aber auf langen Autobahnfahrten halt nicht. Im Normalfall kann man immerhin eine CD durchhören, bis der Player dieses Stadium erreicht hat; dieses Mal hatten wir allerdings die neue LACRIMOSA mit, und da die Überlänge hat, hat's halt nur für die ersten sechs Songs gelangt.
Aber alles halb so wild; im Ganzen hatten wir uns nur zweimal verfahren heute, und so waren wir pünktlich um sieben an der Halle. Dort fällt zunächst mal auf, daß das Publikum gar nicht so einseitig ist wie erwartet. Neben vielen Schwarzgekleideten sind auch etliche Normal-Metaller sowie auch einige Kuttenträger auszumachen. Alle zusammen füllen die Halle momentan etwa zur Häfte, bis zum Schluß sollten es noch ein paar mehr werden, aber ganz voll wurde der Laden nicht. Bemrkenswert: Während bei Thrash Metal-Konzerten (oder auch bei normalem HM) in solchen Situationen spätestens in der fünften Reihe Schluß ist auf dem Weg nach vorne, konnte man hier eigentlich bei allen Bands in der zweiten Reihe hin und her spazieren, was für die jüngeren/kleineren/zierlicheren Personen im Publikum sicher sehr angenehm war. Also ich meine nicht, daß ich da langspaziert bin, sondern allein die Tatsache, daß nicht so ein fürchterliches Gedränge herrschte.
Gegen viertel nach sieben enterten dann HEAVENWOOD die Bühne. Ich muß gestehen: Ich kenne ihre Scheibe nicht, aber da Susanne aus Düsseldorf meinte, sie sei nur wegen LAKE OF TEARS und HEAVENWOOD da, war ich zumindest interessiert, was die Jungs wohl zu bieten haben. Und meine Erwartungen wurden erfüllt - aber mehr auch nicht. Die dargebotene Musik läßt sich vielleicht (zumindest kam mir während des Gigs diese Umschreibung in den Sinn) als Brachial Metal mit Melancholic-Touch bezeichnen. Insofern paßte die Band schon zu den anderen beiden, war aber die deutlich heftigste des Abends. Vielleicht trug auch der etwas dumpfe Sound seinen Teil dazu bei, daß ich nicht so begeistert war, zum Teil lag's sicher an dem eher dürftigen Stageacting, aber das machten die folgenden zwei Bands auch nicht viel besser. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Combo heute sicher keine Fans verloren hat, und ich nehme mir vor, in ihre CD zumindest mal reinzuhören.
Nach einer erfreulich kurzen Umbaupause ging's mit einer der wohl unterbewertetsten Bands der Szene weiter: LAKE OF TEARS. Auf diesen Auftritt war ich sehr gespannt, zum einen, weil ich sie bisher immer verpaßt hatte (sowohl die Tour mit EDGE OF SANITY als auch auf den Summer Metal Meetings), und zum anderen, weil ich ihre neue Platte schon hören durfte. Nachdem die Jungs selber ihre Instrumente gecheckt hatten, ging's los. Völlig unspektakulär, ohne Intro oder ähnliche Faxen. Erster Song war "Sweetwater", das Stück der "Headstones"-Scheibe, das dem von den neuen CD übertragenen Feeling am nächsten kommt und einigermaßen gut ankam. Danach war dann schon der erste neue Song an der Reihe: "Cosmic Weed", meiner Meinung nach nicht unbedingt das Highlight der neuen Scheibe. Das dachten wohl auch die Fans, denn als Begeisterungssturm kann man den folgenden Applaus wirklich nicht bezeichnen. Aber als anschließend "Under The Crescent", der Opener des "Greater Art"-Erstlings gespielt wurde, war's mit der Stille im Publikum vorbei. Man sah einige Matten fliegen, und auch sonst wurde deutlich, daß viele Leute doch noch die alten Sachen der Band zu schätzen wissen. Daher fand ich die Songauswahl, die im weiteren geboten wurde, auch sehr gelungen: Eine gute Mischung aller drei Alben, inklusive vier Stücke vom neuen Machwerk. Bemerkenswert daher, weil das neue Album ja kaum einer kannte (Release-Date: 15. April). Außer das beschwingte "Devil's Diner", das auch auf dem letzten Rock Hard-Sampler vertreten war und dessen Ankündigung für reichlich Begeisterung sorgte. Damit hatte die Band dann gewonnen. Der Rest der Songs wurde vom Publikum abgefeiert. Man spielte unter anderem noch "Evil Inside" vom Erstling, "Raven Land" und den Titelsong (geil!!) von der zweiten Scheibe, sowie das gleichfalls sehr gut aufgenommene "Boogie Bubble" von der neuen. Der Band wäre es zu wünschen, daß die Fans auf den neuen Longplayer und dessen Qualitäten entsprechend reagieren und sich beim nächsten Mal mehr Fans zu ihren (evtl. Headliner-)Konzerten verirren. Denn daß die meisten doch wegen THEATRE OF TRAGEDY da waren, merkte man daran, wie voll es im Laufe der nächsten Umbaupause dann im vorderen Teil der Halle wurde. Noch ein Wort zum Stageacting: Zwiespältig. Die Musiker blieben alle auf ihren Plätzen, und nur Bassman Mikael ließ ordentlich die Haare fliegen. Andererseits kann von den beiden Gastmusikern auch niemand erwarten, daß sie wie wild auf der Bühne rumturnen. Die Band selber ist ja nur noch ein Trio, der zweite (aber durchaus fähige) Gitarrist sowie der äußerst unmetallisch dreinblickende Keyboarder wurden ja nur zur Unterstützung angeheuert.
Rein musikalisch war der Headliner des Abends, THEATRE OF TRAGEDY, den Schweden von LAKE OF TEARS sicher nicht überlegen, was jedoch den folgenden Auftritt noch deutlich gelungener machte als den vorherigen, war die Show, die ja nun zu einem Live-Konzert auch irgendwie dazugehört. Nach einem erstmal viel zu langen Intro und Nebelschwaden (*hust*) ging's los, und es war schon eindrucksvoll, wie die Musik mit Lichteffekten sowie der Gestik des Duos am Mikro untermalt wurde. Während Sänger (ich würde ja fast sagen Grunzer, wenn er nicht hin und wieder wirklich versucht hätte, zu singen!) Raymond die Sonnenbrille nicht absetzte und sich damit begnügte, während seiner Pausen sehr theatralisch rumzustehen und teils evil, teils depressiv aus der Wäsche zu gucken - wobei er aber nie fehl am Platz wirkte, sondern immer ins Bild paßte - verfiel Sopranistin Liv Kristine des öfteren in tänzelnde Bewegungen, die vermutlich jeden True Metaller aus der Halle hätten treiben können, aber zu der teilweise sehr getragen klingenden Mucke vermutlich besser paßten als unmotiviertes Headbanging. Das betrieb dagegen vor allem der Keyboarder in den härteren Passagen, daß es eine wahre Pracht war. Da konnte der kurzhaarige LAKE OF TEARS-Tastenmann (siehe oben) nun gar nicht gegen anstinken. Auch T.O.T. spielten eine gesunde Mischung ihrer Scheiben, was bei ausreichender Spielzeit und nur zweieinhalb Alben allerdings auch keine allzu große Kunst ist. Leider kann ich die T.O.T.-Songs, auch wenn sie mir gefallen, nur schwer auseinanderhalten, aber erkannt habe ich "A Hamlet For A Slothful Vassal", "And When He Falleth" sowie "Der Spiegel". Mit dem genialen "Der Tanz der Schatten" wurde der reguläre Set beendet. Als erste Zugabe gab es, als Duett Sopranistin/Klavier, das ganz und gar unmetallische "... a Distance there is ..." vom Erstling, durch ein paar Dutzend brennende Kerzen optich untermalt, bevor ein weiterer Song den Abend beschloß.
Zu guterletzt sollte noch erwähnt werden, daß keine der anwesenden Bands irgendein Rockstar-Gehabe an den Tag legte. Sowohl die LAKE OF TEARS- als auch HEAVENWOOD-Musiker sprangen nach Konzertende in der Halle herum, wurden aber wohl von vielen nicht als diese erkannt. Ganz anders natülich Liv Kristine, die am Merchandising-Stand Autogramme gab.
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